Melancholischer Blick
20.02.2015
Der Abzweig in die Hickelschlüchte im Großen Zschand ist eigentlich nicht besonders erwähnenswert, wäre da nicht der melancholische Blick in Richtung tschechische Grenze. Jahrhunderte war der Weg durch den Großen Zschand, bereits vor der Erschließung der Sächsischen Schweiz, eine bedeutende Handelsverbindung zwischen Böhmen und Sachsen. Im Alten Zeughaus befand sich eine Zollstation. Auch die Anreise aus Böhmen nach Bad Schandau, z. B. von Hrensko (Herrnskretschen) und Decín (Tetschen), erfolgte durch den Großen Zschand. Die Straße entlang der Elbe, die heutige B 172, wurde erst 1939 durchgängig fertig gestellt.
Bis in die 1980er Jahre wurde im Gebiet des Großen Zschands noch Forstwirtschaft betrieben und gejagt. Auch der Abtransport des Holzes erfolgte durch das Trockental bis zur Neumannmühle im Kirnitzschtal.
Und heute? Der Große Zschand befindet sich ab dem Zeughaus in der Kernzone des Nationalparks Sächsische Schweiz. Es dürfen nur noch wenige ausgewiesene Wege benutzt werden. Ein historischer bedeutsamer Verbindungsweg nach Tschechien ist gesperrt, obwohl die Geländetopographie gerade nach einer durchgängigen Zschand-Wanderung schreit. Dabei hätte die Verbindung zweier benachbarter Nationalparks durch die Öffnung des Großen Zschands sicher eine große symbolische Bedeutung. Es wäre nicht nur die Natur verbunden!
Zu DDR-Zeiten wurden noch die letzten 700 Meter bis zur tschechischen Grenze genutzt, insbesondere durch Wanderer des Grenzwegs. Ein Grenzübertritt war nicht erlaubt, es tummelten sich Grenzsoldaten im Wald. Nach der Wende entspannte sich die Lage – die Hoffnung auf grenzenloses Wandern wurde größer. Der offizielle Grenzübertritt war trotzdem nicht gestattet, aber es schaute auf beiden Seiten keiner mehr genau hin. Später wurden einige offizielle Wandergrenzübergänge geschaffen, aber der Große Zschand gehörte nicht dazu. Zwischen dem Wandergrenzübergang Rabensteine/ Zadni Jetrichovice und der Elbe gibt es auf ca. 11 Kilometer Grenzlinie keinen weiteren Wanderübergang. Damit bleibt z. B. das Prebischtor von deutscher Seite weiterhin schlecht erreichbar. Mit viel naturschädigendem Andrang wäre ohnehin nicht zu rechnen, da z. B. eine Wanderung von Schmilka durch den Zschand nach Hrensko schon etwa 20 km lang wäre. So viel ‚schaffen’ nur 5% aller Wanderer, wie eine Studie der Uni Marburg ergab.
Durch die Bekanntmachung der ‚Wegekonzeption’ durch das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft am 12. Februar 2001 waren nun auch die 700 Meter bis zur Grenze tabu. In der Kernzone dürfen seitdem nur noch gekennzeichnete Wanderwege, Bergpfade und Kletterzugänge benutzt werden. Obwohl u. a. der Tourismusverband Sächsische Schweiz und sächsische Wander- und Bergsportverbände bei der Ausarbeitung mitgewirkt haben, kommt vielen das Ergebnis nicht ausgewogen vor. Statt mit Grenzern muss man jetzt mit NP-Rangern rechnen …
Mit dem Inkrafttreten des Schengener Abkommens mit Tschechien Ende 2007 keimte kurz die Hoffnung, mehr Wander-Freiheiten genießen zu können. Aber die Nationalparkverwaltung stellte schnell klar, dass dies nicht die bekannten Nationalparkreglungen ändere. Da das Grenzgebiet der rechtselbigen Sächsischen Schweiz fast komplett in der Kernzone des Nationalparks liegt, bleibt alles wie es ist – auch der Wunsch auf mehr Wanderfreiheiten.